Aus dem Nähkasten der Kommission

»Man soll nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst.«

Außenpolitisches Amt der NSDAP

Von meiner Europapolitischen Beraterin und mir

Nach Wochen pandemischen Siechtums war endlich wieder mal was los im Pressesaal der Europäischen Kommission, diesem fensterlosen Herzstück der europäischen Demokratie.

Die Präsidentin dieser Kommission, die nur durch einen etwas unglücklichen Zufall eine Deutsche ist, verkündete oder ließ verkünden. Und zwar die neuesten pandemischen Zielgrößen der Kommission, diesmal zum europäischen IMPFZIEL.

Das LIEBENSWERTE an derartigen Proklamationen soll es wohl sein, dass schon im Augenblick ihrer Proklamation fest steht, dass das genannte ZIEL nicht zu erreichen ist. 

(Ich halte das übrigens für eine kühl kalkulierte Kommunikationsstrategie. Den 450 Mio. Menschen da draußen soll so etwas wie FEHLBARKEIT suggeriert werden oder HILFLOSIGKEIT, jedenfalls IRGENDETWAS MENSCHLICHES.)

Und wenn Frau vonderLeyen in profanem Schulenglisch sagt (oder sagen lässt), dass der nächste „europäische Moment“ oder „man-on-the-moon-Moment“ oder irgendein anderer aus ihrer Sicht erstrebenswert klingender Zeitpunkt der europäischen Weltgeschichte im kommenden Sommer kommen werde, da sie – als geborene Brüsseler Europäerin, Ärztin mit „Gefühl“ und 37-fache Mutter – plane, 70% der ihrer Verwaltungshoheit unfreiwillig zugeordneten Schäfchen bis dahin geimpft zu haben, dann wissen eigentlich alle im digitalen Sprechzimmer der obersten EU-Behörde (und sogar Sie da draußen an den Geräten), dass… Pffffffffffff.

70% bis zum Sommer. Das muss man noch nicht einmal abfällig kommentieren, das spricht ja wohl für sich.

Gestern ließ Frau vonderLeyen wieder etwas verkünden. Sie selbst erschien natürlich nicht zur Verkündung (keine Zeit, Pilates und/oder Spaziergang mit Stöcken, das, was die Alten immer machen). Sie ließ erscheinen. 

Und zwar den Kommissionssprecher Eric Mamer (Franzose, aber aus dem Elsaß, Mann spricht Deutsh), dessen deprimierender Job es immer noch ist, jede noch so lächerliche Marotte seiner Chefffin  („Wohne jetzt übrigens im Kommissionsgebäude! Unter fortgesetztem Bezug meiner Unterkunftszulage! In Höhe von 2.685 Euro! Pro Monat! Steuerfrei! Und essen tu’ ich in der Kommissarskantine! Umsonst!“), jedes noch so zielgrößenverfehlende Zukunftsprogramm (Transparenz! Bürgernähe! GREEN DEAL! Initiativrecht fürs – hahaha! – EU-Parlament!) & natürliche jede noch so erschütternde Inkompetenz seiner Vorgesetzten nach außen zu vertreten.

Diesmal ging es nicht um Marotten oder Programme, sondern um (deutsche) Inkompetenz. Auf Drängen der (deutschen) Bundeskanzlerin (Name den Autoren bekannt) hatte die (deutsche) Kommissionspräsidentin am vergangenen Freitag ein dreiköpfiges (deutsches) Spezialkommando mit der Ausarbeitung einer rechtskonformen Idee zur Exportbeschränkung für Vakzine beauftragt. 

Unter kompletter Umgehung des EU-Verwaltungsapparats (hochqualifiziert & hochbezahlt) und aller EU-Kommissare (qualifiziert & bezahlt) war ein Text veröffentlicht worden, der dem doofen spätkapitalistischen Oxford-Schnösel Boris Johnson, selbst Inbegriff (britischer) Inkompetenz, zu einem unverhofften pupspolustischen PR-Erfolg verhalf und wegen des eher sensiblen Knotenpunkts Irland-Nordirland-Großbritannien den Kontinentaleuropäern um ein Haar eine Kriegserklärung eingebracht hätte.

Durch ihren Stellvertreter auf Erden demonstrierte vonderLeyen zu dieser (etwas peinlichen) Frage nun die fortschrittlichste Fehlerkultur seit dem Ende japanischen Harakiris, indem sie Eric Mamer – mit bescheidener Hochmütigkeit – verkünden ließ, pffffffff, egal, „Nur der Papst ist unfehlbar, Folks!“. (Zitat echt, bis auf Folks, Folks!)

Bevor Mamer (Mamer ist der Sprecher von vonderLeyen, kam oben bereits mehrfach vor, konzentrieren Sie sich!) es sich herausnahm, im Namen seiner Herrin (und ohne auch nur mit einer einzigen Wimper zu zucken) den lettischen Vizepräsidenten Waldi Dombrowski vor die einrollende U-Bahn zu schubsen (Metapher). DER sei ja wohl schuld an dem ganzen Desaster, einfach weil derlei Fragen eben zu SEINER formalen Zuständigkeit gehörten. Smiley.

Der jetzige Handelskommissar Dombrowski ist unverhoffter Nachfolger des nach der Teilnahme an einem regelwidrigen Corona-Golf-Dinner unverhofft vor die einrollende U-Bahn geschubsten Iren Phil Hogan. (Hahaha, Hogan, der Tüp, wo bei dem Dinner in der Tombola einen George-Foreman-Kontaktgrill gewonnen hatte, Gerät ab 31 Euro im qualifizierten Fachhandel, und danach zurücktreten musste!) 

Als lettischer Ministerpräsident hatte Dombrowski nach dem Einsturz eines Supermarkts in der Nähe von Riga 2013 die „politische und moralische Verantwortung“ für 54 unter billigem Zement Begrabene übernommen und war zurückgetreten. (Huhu, Andi B. Scheuert, wissen Sie eigentlich um die Bedeutung des Wortes „zurücktreten“?) Eine Option, die von der jetzigen Kommissionspräsidentin noch nie zum Repertoire ihres politischen Ausdruckstanzes gezählt wurde. ZwinkerSmiley.

Seit ihrem Amtsantritt vor einem Jahr hat Frau vonderLeyen sich zusammen mit ihrem deutschen Büroleiter Björn Seibert, ihrer deutschen PR-Kanone Jens Flosdorff und einer Packung deutscher Panzerkekse (Jahrgang 1984, trocken im Abgang) – alle drei: lang gedient – in ihrem mutmaßlich kargen oder wenigstens fensterlosen Penthouse (Rauhfaser) im 13. Stock des Kommissionsgebäudes verschanzt.

In Brüssel machten die ganzen Ausländer passenderweise eine Reihe unpassender Witze über diesen Zustand, die im klassischen Versmaß der epischen Dichtung gehalten waren und unablässig um einen einzigen Reim oszillierten: Von der Kommission Juncker zur Kommission Bunker.

Seither hat vonderLeyen ihre (von den ungefähr 26 Satellitenstaaten aus betrachtet) etwas seltsam wirkende MENTALITÄT unverändert beibehalten. Noblesse oblige. Dem versierten (nicht-deutschen) Verwaltungsapparat der Kommission soll sie ausweislich der Schilderungen (nicht-deutscher) Kommissionsbeamter von Anbeginn an mit Ablehnung und Widerwillen begegnet sein – eskortiert von einem Misstrauen, dass als geradezu „paranoid“ beschrieben wird.

Folgerichtigerweise werden also alle wesentlichen (und unwesentlichen) Entscheidungen (und Fehlentscheidungen) der Kommission vonderLeyen ausschließlich im Elfenbeinbunker ihres Führerinnenpenthouse getroffen – und zwar ausschließlich von: ihr selbst, einem europapolitisch völlig kenntnisfreien Komikerduo namens Seidorff & Flosbert sowie der Cheffin einer Nationalregierung (Name den Autoren bekannt), die dort eigentlich nicht das Geringste zu suchen hat.

Nach dem für den Rest der EU zermürbenden deutschen Doppel während der Ratspräsidentschaft hat die Bundeskanzlerin sich mit Jahresbeginn wieder auf den ihr traditionell zustehenden Logenplatz der INOFFIZIELLEN Ratspräsidentschaft zurückgezogen – mit einem ganz besonderen, exklusiven Zugriffsrecht auf die Exekutivagentur der Europäischen Union. 

Das meiste von dem, was SIE DA DRAUSSEN als „EU“-„Politik“ wahr- oder zur Kenntnis nehmen, ist das Ergebnis einer durch und durch undurchsichtigen Selbstverständigung zwischen dem in Berlin ansässigen Frontallappen Angela Merkel und seiner ausführenden Hand in Brüssel.

In der Tat zeigt vonderLeyen in den meisten ihrer kleineren und größeren europahistorischen Fußnoten ziemlich unverhohlen, dass sie selbst auch gar nichts anderes anstrebt, als die europäische Erfüllungsgehilfin der deutschen Kanzlerin (Merkel) zu sein. 

Sie macht sich noch nicht einmal die Mühe, die degoutante Subordination des niedersächsischen Landadels unter das ostdeutsche Wissenschaftsproletariat (wenigstens im Inneren ihrer eigenen Behörde) notdürftig zu kaschieren. 

Von der (im Grunde ja ziemlich knorken) Idee, die Impfstoffbeschaffung auf EU-Ebene zu organisieren, über den (für Kommissions-Verhältnisse sichtlich unreifen) Vertragsabschluss mit AstraZeneca und die fixe Verdoppelung der EU-Onlinebestellung beim deutschen Vorzeigepionier Biontech bis hin zum jüngsten Coup einer selektiven Exportkontrolle hat vonderLeyen ihre unerschöpfliche Bereitschaft unter Beweis gestellt, die bedeutendste europäische Behörde nach Belieben einer deutschen Instrumentalisierung zu überantworten. Durch ihre Amtsführung wird jede deutsche Debatte nicht nur zuverlässig auf die europäische Ebene transponiert, vonderLeyen bringt jede in Berlin getroffene Entscheidung – mit dem Instrumentarium der Europäischen Kommission – instantan zu einer wunschgemäßen Exekution. My Ass!

Oha, heißt es in den ca. 26 Satellitenstaaten. Läuft es jetzt in der EU etwa so, wie es schon immer lief? Nur OFFEN? Muss die ganze EU sich unter vonderLeyen gar nicht mehr die Mühe machen, ihre Unterordnung unter deutsche Interessen zu verschleiern? Ist das gar so etwas wie die NEUE OFFENHEIT?

Falls das tatsächlich ein EU-Trend werden sollte, dann passt er jedenfalls bestens zu den Befunden frustrierter Osteuropaforscher. Diese konstatieren konsterniert, in Ungarn & Polen oder Slowenien & Bulgarien habe man sich jahrelang die Mühe gemacht, den Brüsseler Behörden die Befolgung demokratischer Prinzipien – im Rahmen subkomplexer Rechtsstaatsfugen – wenigstens noch vorzuspielen (mehrstimmig). Damit sei jetzt Schluss (einstimmig). Die diktatorischen Staaten des europäischen Ostens seien, was sie eben sind. Nur neuerdings mit offenem Visier, ohne jede vordergründige Verschleierung. NEUE OFFENHEIT, hallo. 

Es ist nicht eben so, als wäre das deutsche Damendoppel vonderLeyen und Merkel an dieser Entwicklung völlig unbeteiligt. Das zuverlässige Stimmvieh der konservativen EVP, Zweigstelle „Nebenländer des Reiches“, hat dem deutschen Machterhalt noch nie geschadet. Ohne die Stimmen Viktator Orbans und der polnischen PISSer säße die personifizierte, frisierte, manchmal gut & manchmal schlecht beratene Exekutivagenturleiterin unserer Bundeskanzlerin schließlich nicht da, wo sie jetzt sitzt (und wohnt). Dass ausgerechnet Merkel den osteuropäischen Flitzpiepen den gefürchteten EU-„Rechtsstaatsmechanismus“ durch mehrfache Verwässerung vom Hals gehalten hat, könnte glatt ein Zufall sein. Aber nur in einem parallelen Universum.

A propos Paralleluniversum. Wenn ein gewisser Jens Spahn, lauernd in seinem konservativen Kanzlerkandidatenkokon, intimer Freund des Trump-Höflings Richard Grenell, 30 Mio. Impfdosen an der Kommission vorbei ausschließlich für den feisten deutschen Oberarm erobert, dann ist er – von Brüssel aus betrachtet – ein fieser, unsolidarischer Fuchs. Man benötigt nicht BESONDERS viel Phantasie, um sich vorzustellen, was die Kommission zu derartigen Egotrips und Alleingängen inmitten einer EU-weiten Konzertierung zu sagen HÄTTE, wenn sie dazu etwas sagen WÜRDE. Was sie natürlich nicht tut. Deutschland darf alles, und Kritik an Deutschen gibt es nicht. Basta. Erst recht nicht unter deutscher Kommissionspräsidentschaft. (Wär’ ja noch schöner!)

Die Kommunikation mit der europäischen Öffentlichkeit hat vdL seit Monaten nahezu gänzlich eingestellt. Das einzige Lebenszeichen dieser Kommissionspräsidentin sind die immergleichen, in der immergleichen Kulisse vorproduzierten TikTokTakes (für die Älteren da draußen: VIVA-Videoclips), in denen sie im Stile des gehobenen Bauerntheaters eine mitreißende Phrase an die nächste reiht. 

WAS MAG SICH ABSPIELEN hinter dem geschlossenen Visier dieser potemkinschen PR-Fassade, würde Hamlet fragen. Wir wissen es nicht.

Obwohl unverschämterweise erwartet worden war, die Präsidentin der EU-Kommission werde wenigstens zu einem Teil der 26 (deutschen) Satellitenstaaten einmal lustlos lockeren Kontakt aufnehmen, gibt es so etwas wie „Interviews“ seit geraumer Zeit nur noch als exklusives Bonbon für hinreichend kooperationsbereite (deutsche) Journalisten mit (deutschem) Personalausweis.

Die meisten Journalisten in Brüssel (außer den deutschen) hegen allmähliche, aber ernsthafte Zweifel, ob diese Deutsche an der Spitze der Europäischen Kommission JEMALS etwas anderes im Blick haben, umsetzen oder vertreten wird als die Interessen, Befindlichkeiten oder Forderungen von: DAHOAM.

Und kaum jemand kann sich vorstellen, dass auch nur ein infinitesimaler Bruchteil dieser beeindruckenden Sammlung gravierender Fehleinschätzungen unter einem der Leyenschen Vorgänger auch nur denkbar gewesen wäre. (Außer vielleicht unter der Kommission Santer, aber die ist ja dann auch kollektiv zurückgetreten.)

Vielleicht versuchen wir es beim nächsten Mal wieder mit jemandem, der einen soliden Hang zu derbem Verwaltungsperfektionismus oder zumindest einen kleinen Rest politischen Gestaltungswillens hat. Oder wir versuchen es zur Abwechslung mal mit Demokratie. ZwinkerZwonker!

Einer wie auch immer begründeten Rechenschaftspflicht gedenkt Frau vonderLeyen jedenfalls nicht nachzukommen – nicht uns, dem Europäischen Parlament gegenüber, nicht gegenüber der europäischen Presse und erst recht nicht der europäischen Bürgerschaft gegenüber.

Von kommissionskundigen Zitateforschern wird eine Bemerkung von Cecilia Malmström überliefert, der schwedischen „Liberalen“, TTIP-Cheerleaderin und leidenschaftlichen Internetzensorin („Censilia“): Als EU-Handelskommissarin denke sie nicht im Traum daran, sich vor EU-Bürgern für irgendetwas zu rechtfertigen. Die hätten sie ja schließlich nicht gewählt.

Vielleicht versuchen wir es beim nächsten Mal mit Demokratie. ZwinkerSmiley