Achtung, laaaaanger Text über den bizarren ungarischen EU-Kommissar (designiert) Laszlo Trocsanyi.
Der designierte ungarische Kommissar Laszlo Trocsanyi hat (als Nachfolger meines alten Kumpels Tibor Navracsics, Google-Tipp: Navracsics, Sonneborn & „Das kleine ABC des Nationalsozialisten“) als Justizminister in den letzten fünf Jahren die von Orban vorangetriebene Deformierung des Justizsystems derart perfektioniert, dass Ungarn, würde es heute den Beitritt zur EU beantragen, wohl nicht mehr aufgenommen werden würde.
Unliebsame Richter wurden über eine Senkung (und anschließende Wiederanhebung) des Rentenalters ausgetauscht, Zwangspensionierungen vorgenommen und die Zahl der Verfassungsrichter erhöht, um die Bedeutung der kritischen Verfassungsrichter zu vermindern. Trocsanyi selbst hat die Schaffung einer neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgenommen, deren Richterschaft praktischerweise vom Justizminister selbst ernannt und kontrolliert wird. Am Ausbau der Vormachtstellung des Nationalen Justizamtes, deren (von der Regierung ernannte) Präsidentin die unabhängigen Richter (des Nationalen Justizrates) nach Einschätzung der Europäischen Richtervereinigung „kaltgestellt“ hat und mittlerweile „völlig unkontrolliert“ agiert, hat Trocsanyi nichts einzuwenden.
Trocsanyi hat die Arbeit von NGOs in Ungarn über strikte Auflagen (und verstärkte staatliche Kontrolle) fast unmöglich gemacht, die Central European University durch eine maßgeschneiderte Novelle des Hochschulgesetzes nach Wien vertrieben, alle wissenschaftliche Forschung zentralisiert und staatlicher Aufsicht unterstellt.
Trocsanyi hat scharfe Angriffe gegen die EU-Kommission („Polit-Büro“) geführt: Es sei nicht Aufgabe der Kommission, die Leitlinien der Politik festzulegen, sondern des Rates. Die Kommission sei nur ausführendes Organ, das wieder auf seinen Platz verwiesen werden müsse.
Trocsanyis Anwaltskanzlei „Nagy & Trocsanyi“ hat die ungarische Regierung in nahezu allen Fällen gegen die Europäische Union vertreten. In seiner Zeit als Justizminister erhielt sie nicht nur zahlreiche Regierungsaufträge, in die sein eigenes Ministerium involviert war, sondern vertrat auch diverse Banken, Konsortien und Mandanten (z.B. Uber) gegen den ungarischen Staat. Transparency International sieht hier unzählige Interessenskonflikte, Trocsanyi (nach Selbstauskunft) keinen einzigen.
Trocsanyi hat Gesetze vorgeschlagen und politische Praxen vertreten, die zu Konflikten mit den Organen der EU, Verfahren am Europäischen Gerichtshof und Verhandlungen mit der Antikorruptionsbehörde OLAF geführt haben. Dies betrifft u.a. auch die Flüchtlingsfrage, Ungarn nimmt keine Flüchtlinge auf, trotz EuGH-Urteil.
Zitat „Der Standard“:
„Verschiedene Gesetzesvorhaben, die Orban betrieb, um demokratische Rechte auszuhöhlen und unliebsame Stimmen zu unterdrücken, tragen auch Trocsanyis Namen. Als zuständiger Minister verantwortete er ihre textliche Ausgestaltung, ihre kohärente Einfügung in die Gesetzgebung. Da sind Rechtsakte darunter, die unmenschliche Situationen für Asylsuchende heraufbeschwören, regierungsunabhängige Zivilorganisationen teilweise stigmatisieren und potentiell kriminalisieren. (…) Etliche dieser Gesetze sind Gegenstand von EU-Vertragsverletzungsverfahren, und die bilden auch die Substanz des Artikel-7-verfahrens wegen Grundwerteverletzung.“
Die Vorwürfe gegen Ungarn betreffen folgende Punkte:
– the functioning of the constitutional and electoral system;
– the independence of the judiciary and of other institutions and the rights of judges;
– corruption and conflicts of interest;
– privacy and data protection;
– freedom of expression;
– academic freedom;
– freedom of religion;
– freedom of association;
– the right to equal treatment;
– the rights of persons belonging to minorities, including Roma and Jews, and protection against hateful statements against such minorities;
– the fundamental rights of migrants, asylum seekers and refugees;
– economic and social rights.
Unter Trocsanyi wurde Nikola Gruevski, dem flüchtigen, wegen Korruption zu Haft verurteilten mazedonischen Ex-Premier, politisches Asyl gewährt.
Orban, der seinen Einfluss und sein Geschäftsmodell einer illiberalen Demokratie stärken und mit christlich-missionarischem Eifer verbreiten will und dafür die Gefolgschaft der Beitrittsanwärter auf dem Balkan sucht, hatte vor fünf Jahren bereits das Erweiterungsressort für Ungarn gefordert.
Während ihn Juncker seinerzeit noch lässig mit „Kultur oder so“ abgespeist hat, gibt
VonderLeyen, die mit den entscheidenden Stimmen aus Ungarn gewählt wurde, im Gegenzug der Forderung jetzt nach.
Und überlässt einem Mann die Evaluierung von fünf oder sechs zerrütteten Balkan-Staaten, die sie in dieser Legislaturperiode in die EU aufnehmen will – Serbien und Montenegro, wenn es nach Orban geht, sogar ohne weitere Reformbemühungen.
„Die Nationalisten auf dem Balkan jubeln nun, dass Trocsanyi für sie zuständig sein soll.“ (Der Standard)
Ein guter Mann für alle Staaten, die in Orbans Scheindemokratie die Blaupause für ihren eigenen Staatsaufbau sehen.
FunFact: Der Büroleiter von Orban sagt vor den Wahlen in Budapest: „Wenn Budapest einen Oppositionsbürgermeister wählt, verfällt ein vom gegenwärtigen Bürgermeister im vergangenen Jahr unterzeichneter Vertrag über Entwicklungsgelder für Budapest, weil dies eine persönliche Vereinbarung zwischen dem Bürgermeister und Orban war.“
FunFact II: Aufforderung der Regierung an Journalisten: „Bete, bevor du twitterst!“
FunFact III: Heute muss sich Ungarn in Brüssel den Vorwürfen im Artikel-7-Verfahren stellen. Wird lustig.
FunFact IV: Während vonderLeyen alle benannten Kommissare für „Europäer“ hält, sagt Orban über seinen Kommissar: „„Es wird Mr. Trocsanyis Job sein, meine Politik in der Kommission zu vertreten.“